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Fair-Value-Bewertung von Immobilienprojektentwicklungen

Untersuchung der Bewertungsmethoden entlang der Projektphasen zur Bestimmung des Marktwertes einer Projektentwicklung.Immobilienprojektentwicklung
Als «Immobilienprojektentwicklung» werden die planungs-, bau- und vermarktungs-bezogenen Wertschöpfungsprozesse von der Idee bis zur Fertigstellung einer Immobilie verstanden. Dabei kann ein Immobilienprojekt in die fünf Hauptphasen «Initiierung», «Konzeption», «Konkretisierung», «Projektierung» und «Realisierung» sowie in die phasenübergreifende «Projektvermarktung und Öffentlichkeitsarbeit» aufgeteilt werden.

Im Laufe der Entwicklung eines Immobilienprojektes gibt es unterschiedliche Bewertungs-anlässe. Sie ergeben sich typischerweise im Rahmen der finanziellen Berichterstattung und der Due Diligence des Projektverkäufers bzw. des Projektkäufers, aber auch ganz am Anfang der Entwicklungsphase bei der Residualwerteinschätzung des Entwicklers.

Bei der Bewertung von Immobilienprojektentwicklungen gewinnt die Fair-Value-Betrachtung zunehmend an Bedeutung. So sehen sich all jene Unternehmen, die IFRS-Standards anwenden, vor die Aufgabe gestellt, ihre Entwicklungsprojekte mit vorgesehener Nutzung als Renditeobjekte seit dem 1.1.2009 zum Fair Value zu bewerten, sofern dieser «verlässlich» ermittelt werden kann (IAS 40).
Unter dem Fair-Value-Begriff ist ein Marktwert zu verstehen, der ohne Zwang nach marktüblichen Bedingungen zwischen sachverständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern zu Stande kommt.
Dabei wird davon ausgegangen, dass der Marktwert auf einer Bewertung (Schätzung) basiert, die unter objektiven Gesichtspunkten hergeleitet und plausibilisiert wurde und damit für jedermann nachvollziehbar ist. Der Fair Value eines Projektes in Entwicklung ist der Wert der Immobilie oder Anlage bei Fertigstellung (und Vollvermietung) abzüglich der noch anfallenden Kosten, unter angemessener Berücksichtigung der Projektrisiken.

Es gibt grundsätzlich vier Kategorien von Immobilienentwicklern: Trader Developer (entwickeln und verkaufen), Investment Developer (entwickeln und halten für Anlage-zwecke), Corporate Real Estate Developer (entwickeln und selbst nutzen) und Service Developer (Dienstleister). Von der Fair-Value-Bewertungsthematik sind vor allem die ersten beiden Kategorien betroffen.

Risiko
Die angemessene Berücksichtigung der Entwicklungsrisiken ist bei der Bewertung von Immobilienprojekten entscheidend. Unter dem Begriff «Risiko» wird das Mass der positiven oder negativen Abweichung von einem erwarteten Zielwert verstanden. Zur besseren Übersichtlichkeit und zur erleichterten Identifikation bestimmter Risikogruppen werden die vorhandenen Einzelrisiken in folgenden Kategorien zusammengefasst: «Marktrisiken», «Standortrisiken», «Objektrisiken», «Nutzungsrisiken», «Entwicklungsrisiken».

Die grössten Werttreiber bei den Risiken sind zum einen die Marktrisiken, insbesondere die Vermietungs-/Verkaufsrisiken, aber auch das Konzeptionsrisiko (z.B. falsche Nutzung für Lage) und die Planungs- und Baurisiken. Letztere beiden Risiken gehören zur Gruppe «Entwicklungsrisiken».

Projektbewertung
Neben der Discounted-Cash-Flow-(DCF-)Methode kommen in der Schweizer Praxis im Rahmen von Projektentwicklungen weitere Methoden zur Anwendung: Zu Beginn des Entwicklungsprozesses und zur Plausibilisierung eines Schätzungsergebnisses wird oft die Residualwertmethode und damit verbunden die statische Bruttoertragswertmethode eingesetzt. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung wird insbesondere von den Entwicklern über den gesamten Prozess zur finanziellen Steuerung beigezogen. Der VOFI sowie die Real-Option-Methode finden in der Praxis aufgrund ihrer aufwendigen Berechnungsmethode nur wenig Verwendung.
Zur Plausibilisierung des Schätzergebnisses werden in der Entwicklungsbranche verbreitet Sensitivitätsanalysen, Szenarioanalysen und das Korrekturverfahren durchgeführt.

Die Analyse der in Frage kommenden Bewertungsmethoden und insbesondere die Erkenntnisse aus der Expertenbefragung führen zur folgenden Empfehlung: Die DCF-Methode und z.T. in einer frühen Phase die Residualwertmethode sind für die Bestimmung des Fair Value eines Immobilienprojektes zu favorisieren.
Die statische Residualwertmethode ist weit verbreitet und stellt gerade am Anfang eines Entwicklungsprozesses die einfachste Art dar, den Landwert zu ermitteln. Der rechnerische Landwert entspricht aus ökonomischer Sicht dem Fair Value der Projektidee. Es wird empfohlen, die Residualwertmethode nur am Anfang einer Projektentwicklung zur Bestimmung des Fair Value einzusetzen. Spätestens ab Baubeginn kommt diese Methode an ihre Grenzen.

Mit der dynamischen DCF-Methode kann der Entwicklungsprozess mit allen Ein- und Ausgaben über alle Projektphasen und darüber hinaus abgebildet werden. Das macht die Methode transparent, nachvollzieh- und modellierbar. Auf der anderen Seite verlangt die DCF-Methode einen sorgfältigen Umgang mit dem Diskontierungssatz, da er starke Auswirkungen auf das Schätzergebnis hat. Als eher methodische Schwäche wird in der Literatur die Wiederanlageprämisse genannt. Nach Meinung der Autoren überwiegen bei der DCF-Methode aber die Vorteile gegenüber den Nachteilen.

Konkret wird zur Ermittlung des Fair Value einer Immobilienprojektentwicklung eine
3-Phasen-DCF-Methode mit den Phasen «Entwicklungsperiode», «Detailperiode» und «Restnutzungsperiode» vorgeschlagen. In einem ersten Schritt wird der Wert der fertig-gestellten Immobilie ermittelt. Vereinfacht ausgedrückt setzt sich dieser aus den auf den Zeitpunkt der Fertigstellung abdiskontierten Ergebnissen der «Detailperiode» und der «Restnutzungsperiode» zusammen. Diesem Wert werden schliesslich die auf den Bewertungsstichtag abdiskontierten noch ausstehenden Kosten der «Entwicklungsperiode» abgezogen.

Für die Abbildung der Risiken in einer Projektwertschätzung gilt folgender Grundsatz: Quantifizierbare Risiken sollen im Cashflow, nicht quantifizierbare Risiken im Diskontierungs-faktor abgebildet werden. Die Entwicklungsrisiken, die nach Fertigstellung wegfallen, werden im vorgeschlagenen Modell von den übrigen Risiken abgegrenzt. Dazu soll der Diskontierungssatz des fertiggestellten Objektes für die Zeit der «Entwicklungsperiode» durch einen Entwicklungsrisikofaktor (d) ergänzt werden. Der Risikofaktor kommt dann zum Einsatz, wenn zum Zeitpunkt der Bewertung Risiken identifiziert werden, die nur im Entwicklungsprozess relevant sind und nach Fertigstellung des Objektes wegfallen.

Aufgrund der theoretischen Untersuchungen und des Feedbacks aus der Praxis wird die These untermauert, dass eine Fair-Value-Bewertung grundsätzlich zu jedem Zeitpunkt möglich ist. Es sollten jedoch als Minimalvoraussetzungen der Standort bekannt, die zukünftigen Erträge und die Realisierungsaufwendungen abschätzbar sowie eine grobe Terminvorstellung der Realisierung vorhanden sein.

Um den frühestmöglichen Zeitpunkt einer Fair-Value-Bilanzierung festlegen zu können, ist nicht zwingend die Menge der Risiken ausschlaggebend, sondern vielmehr die Wahrscheinlichkeit, dass ein Projekt überhaupt realisiert werden kann. Dieser sogenannte «Erfolgsquotient» sollte für eine Fair-Value-Bilanzierung bei ca. 90% liegen. Dieser Zeitpunkt kann von Projekt zu Projekt verschieden sein, im Normalfall erreicht man die Quote jedoch frühestens mit Erhalt einer rechtsgültigen Baubewilligung.

Abschliessend sei bemerkt, dass es trotz all der markt- und finanzmathematischen Überlegungen eine Illusion ist, eine in allen Punkten inhaltlich objektive Bewertung von Projektentwicklungen zu erhalten. Die Anforderungen an die Transparenz, die methodische Korrektheit und an die Nachvollziehbarkeit sind nach Meinung der Autoren mit der im Rahmen dieser Arbeit vorgeschlagenen konkreten DCF-Rechnung aber gewährleistet.

Autoren: Michael Camenzind, Lukas Guy Schnider, Martin Schweizer
Masterthesis, Master of Advanced Studies in Real Estate Management HWZ, 08/2009

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